zu hause. vorbeugende fahrt in die landesbibliothek. ungestört lernen. so der plan.
bisherige anrufe meines vaters: 9.
anrufe meiner mutter: 2
sms: 2

da hat man ohnehin schon nicht die beste laune und gerät an einen besserwisserischen copy-shop betreiber, der wirklich total daneben ist.
der höhepunkt: er soll einfach nur meine interviewtranskripte (!) ausdrucken, liest aber distanzloserweise mit und sagt dann ganz frech-klugscheisserisch über den tresen: also, da haste aber ne menge rechtschreibfehler drin, in deinem text! interviewtranskripte. mann.
weiss ich schonmal, wo ich meine diplomarbeit nicht ausdrucken werde (bei copy-proppy in der gneisenaustraße, weitersagen!).

ein wort, das ich aus 'popstars' in mein alltagsvokabular mitgenommen habe:
bewegungsattraktivität
so: "ja, der hund ist schon recht süß, aber die b. lässt zu wünschen übrig". auch: "ja, den nachtisch können sie schon mitnehmen, die fehlende b. war etwas abschreckend." oder: zweimal umsteigen mit den Öffentlichen zur Stabi, wo bleibt denn da die b., da bleib ich zuhause.

Versuche, mich so anzuziehen, dass an der Farbkombination meine Tagesform zu erkennen ist. Heute also fühl ich mich taupeblau, mit zartrosa Hoffnungsschimmer um den Hals.

Ahahaha. Ist wohl an den Modefarben einer Dekade auch deren gesellschaftliche Befindlichkeit abzulesen? Politisierte Sechziger mit schwarz-weiss-Fronten, diffus-nichtssagend graumelierte Achtziger und hohle, kühle Wollweiss-Neunziger?

Hm. Wahrscheinlich alles ein alter Hut (ein moosgrüner?).

J: "…und dann wollte ich noch bei Ikea ne Handtuchstange kaufen…"
B: "Ne Stange Handtücher? Kriegste doch in Polen billiger!"

Mit mir in die U1 steigt am Kottbusser Damm eine 20-köpfige Kindergruppe ein. Sofort verteilen sie sich aufgeregt zu beiden Seiten auf die Bänke, wo sie aufgereiht, laut krakeelend, mit bunten Jacken und Mützen gepolstert mit Blick aus dem Fenster hocken. Während die Kinder Richtung Nordseite die vorbeiziehenden Bauwerke grüßen ("Hallo du alte Wand!", "Hallo du altes Haus!", "Hallo du alter Parkplatz"), beginnt die Südkurve schon bald, einhellig ein unverständliches Wort zu skandieren:
"Roooosiiin-bomm-ba!", gepaart mit vereinzelten Zwischenrufen, "hey, wir sind richtig, wir sind auf der richtigen Seite!".
Das Geschrei wird lauter, je länger die Fahrt dauert, und lädt sich mit Hektik auf, als der Bahnhof Möckernbrücke erreicht wird. Einzelne Nordbänker sollen noch schnell Fronten wechseln, die Südsitzer verrenken ihre Hälse, rufen "komm, komm rüber, gleiiiiich kommts!", die angesprochenen scheinen allerdings bereits kapituliert zu haben. Die neugierige Erwartung der restlichen Mitfahrer steigt.
Der Zug fährt weiter, und das Technikmuseum nähert sich. Die Schreie werden ohrenbetäubend, eine Mädchenstimme überschlägt sich: "Daaa! Da is der Rosin'nbomber!" AAAh!
Mit Blick auf das aus der Fassade des Museums hängenden Flugzeugs ertönt ein neuer Schlachtruf. "Schnel-ler, Propel-ler!"
Für die auf der anderen Seite sitzenden Freunde bleibt nur Spott: "Ihr Verlierer, hier war der Roosinbommba!" Wie gut, erwachsen zu sein. Saß auch auf der falschen Seite, ich Verlierer.

Die Tatsache, dass einem Großteil meiner Freunde meine neue Jacke, fast niemandem aber meine neue Brille aufgefallen ist, führt mich zur traurigen Erkenntnis, daß mir anscheinend häufiger auf meinen Oberkörper als auf mein Gesicht geschaut wird.
Würde ich mich im Alltag an diese Praxis halten, wäre mir heute in der U-Bahn ein erstaunlicher Anblick erspart geblieben: Auf der Stirn mir gegenüber machte ich eine Hautanomalie aus, die aussah wie eine geschälte Walnusshälfte, auf einem übergroßen Leberfleck gebettet.
In Zukunft also wieder Buch statt iPod.

Gerne gehe ich im Ausland ins Kino, überzeugt davon, dass einen tieferen Einblick in die Menschen eines Landes erhält, wer ihre Kulturrezeption beobachtet.
So freute ich mich sehr auf einen Zugang zur Schweizer Seele, als ich in Zürich die Vorstellung von 'Borat' besuchte.
Erster Negativeindruck: es gab nur salziges Popcorn. Verzeihlich. Dann aber, nach 45 Minuten im vollgestopften Saal, der alles zerstörende Schock:
Durch eine kurze Werbung wurde die Pause eingeleitet, der Raum wurde hell, die Leute standen auf, um eine Zigarette zu rauchen oder salziges Popcorn nachzukaufen. Bei einem 85-Minuten-Film!
Fassungslos und ungläubig meinen Nebenmann anschauend, erfuhr ich, dass in Schweizer Kinos offenbar immer eine Pause gemacht würde (möglich wäre ja auch gewesen, dass nur bei derartigen Teeniefilmen nach einer Dreiviertelstunde die Frischluft 'nachgefüllt' werden muss...).
Nein, offenbar gehen Schweizer Kinobetreiber davon aus, dass die Aufmerksamkeitsspanne ihrer Zuschauer derart kurz ist, dass sie den Frevel begehen, ein künstlerisches Werk zu unterbrechen, um dem vergnügungssüchtigen Volk Abwechslung zu bieten UND ihre Verkaufszahlen zu steigern. ADHS und Gier, eine widerliche Kombination. Schäm dich, Schweiz.

gestern im arsenal experimentelle kurzfilme der 80er jahre angesehen. schon mit dieser information kann man sagen 'selbst schuld'.
einer der filme: 'tapete', regisseurin: die tödliche doris. musik von: die tödliche doris.
soweit der unterhaltungsfaktor des vorpanns. dann: 28 minuten tapetenmuster, zugegeben recht auffällige exemplare, wackelig und langsam auf super 8 gefilmt. kein ton. (das ist wohl der humor der tödlichen doris). stattdessen unaufhörlich lautes gehuste und gekeuche der ca acht mitzuschauer.
am unterhaltsamsten war noch das erste werk; ältere frauen shoppen bei einem dieser eiermänner, die aus dem lieferwagen mit auslage heraus verkaufen, unmengen von eiern und auch mal eine wurst, und ganz am ende sieht man, wie der verkäufer unterm tresen eine flasche hervorzieht, da reinpinkelt und dann pfeifend auf neue kundschaft wartet.
hatte man sich noch gar nicht vergegenwärtigt, das problem. da dachte ich mir, wow, der film hat wenigstens tatsächlich auswirkungen auf mein alltägliches leben.